Griechenland





Olivenbäume, Sonne, Rotwein und Meer: das war unsere Vorstellung von Griechenland, als wir uns im September 1992 an eine Peloponnes-Umrundung machten, Alex und ich. Es wurde eine überraschend anstrengende Tour. Und das lag nicht nur an der sengenden Hitze ...



Unsere Route: Von der Hafenstadt Patras zunächst ins Bergland von Achaia und nach Olympia. Dann hinunter in den Süden zur Halbinsel Mani und nach Monemvasía. Von dort mit dem Schiff zur Insel Spetses, weiter nach Epidauros, Mykene und Korinth und schließlich wieder zurück nach Patras. Strecke mit dem Rad: 918 km. Höhenmeter: ca. 11.000 m.













Ankunft in Patras. Wir sind nicht mal schnell mit dem Flieger hin, sondern auf dem Landweg und übers Meer. Von Gelsenkirchen bis Bari mit dem Auto und dann weiter mit der Fähre. Im Hintergrund ist schon zu sehen, was uns in den nächsten Tagen erwartet ...






… das Bergland von Achaia. Kaum haben wir Patras verlassen, geht es auch schon bergauf. Während Alex bereits ein Trekkingrad mit 21 Gängen hat, mühe ich mich noch auf einem 3-Gang-Rad ab - und das bei spätsommerlichen 33 °C.




In einem Gelände wie diesem hilft da nur eines: ab und zu mal die Räder tauschen. Das klappt mit Alex ganz hervorragend, so dass wir abends etwa gleichermaßen erschöpft sind.




Hotels oder Campingplätze brauchen wir nicht. Wir schlagen unser Lager einfach etwas abseits der Straße auf. Nicht mal ein Zelt haben wir mitgenommen. Das allerdings erweist sich als grober Fehler. Nicht wegen des Wetters, sondern weil uns die Mücken beinahe auffressen.




Oft steigen wir erst mit Beginn der Dämmerung vom Rad und müssen uns dann mit dem Kochen sputen ... wobei wir unser Standardgericht Nudeln mit Tomatensauce auch noch im Dunklen hinbekommen, wie dieses nur vom Blitzlicht erhellte Foto belegt.






Meist sehen wir erst am nächsten Morgen, wo genau wir uns niedergelassen haben. Hier sind wir in der Nähe eines kleinen Stausees gelandet.






Von den Dörfern, durch die wir kommen, berührt uns Kalávrita am meisten. Der kleine Ort ist durch eine grausame Vergeltungsaktion der Deutschen Wehrmacht bekannt geworden, bei der am 13. Dezember 1943 sämtliche Männer des Dorfes erschossen wurden. In deutschen Dokumenten ist von 695 Toten die Rede, nach griechischen Angaben waren es wesentlich mehr. Ein Ort des Schreckens also ...



… umso erstaunlicher, dass wir gerade hier die größte Gastfreundschaft erfahren. Und das, obwohl wir uns als Deutsche zu erkennen geben. "Ihr seid eine andere Generation. Kommt, trinkt einen Ouzo mit uns!" - Was für eine menschliche Größe!



Die Berge verlieren ihre Ruppigkeit. Wir verlassen Achaia und erreichen Arkadien, jene bukolische Landschaft, die bereits in der Antike und später noch einmal in der Renaissance zum Ort des "Goldenen Zeitalters" stilisiert wurde. Zum jenem Mythos eines glücklichen Lebens in idyllischer Natur, von dem so viele Menschen träumen.




Um andere Träume ging es hier: im Stadion von Olympia. Hier fanden von 776 v. Chr. bis 393 n. Chr. die Olympischen Spiele der Antike statt. Auf den Graswällen beiderseits der 192 m langen Laufbahn fanden rund 45.000 Zuschauer Platz.




Da die Spiele in der Antike auch einen kultischen Charakter hatten, wurden die Siegerkränze im nahe gelegenen Hera-Tempel überreicht. Seit 1936 wird hier wieder das Olympische Feuer entzündet.




Endlich: das Meer!! Unsere müden, von der Hitze gedörrten, von der Sonne versengten und von den Mücken zerstochenen Körper haben sich etwas Erholung verdient.




Doch das Stranderlebnis ist nur von kurzer Dauer. Denn die Küstenstraße, der wir nun folgen, verläuft keineswegs flach am Meer entlang. Immer wieder windet sie sich in das Küstengebirge hinauf, um nach kurzem Gefälle abermals kräftig anzusteigen. Wir sammeln weiter Höhenmeter.




Auch die Dörfer, durch die wir kommen, liegen nur selten direkt am Meer. Meist hängen sie an der steilen Flanke eines Berges und gönnen uns nicht mal für ein paar hundert Meter Erholung.



Dann haben wir sie erreicht: die Mani, den "Mittelfinger" des Peloponnes. Es ist die wirtschaftlich ärmste und landschaftlich kärgste Region des Landes.





Die hier ansässigen Familien waren über Generationen hinweg miteinander zerstritten und haben deshalb in trutzigen Wohntürmen gelebt, von denen viele bis auf den heutigen Tag erhalten sind.




In einem dieser Wohntürme finden auch wir Unterschlupf. Das Zimmer ist denkbar einfach eingerichtet, kostet aber auch nur 10 D-Mark pro Person - natürlich ohne Mückenschutz.




Wir umrunden die Mani einmal mit dem Rad und stoßen dabei auf diese schöne Bucht. Nach all der Anstrengung und Entbehrung kommt erstmals so etwas wie Urlaubsstimmung auf.



Fehlt nur noch ein leckeres Abendessen. Ich entscheide mich für einen frisch gefangenen Octopus. Direkt von der Trockenleine auf den Grill. Großartig!




Auf dem Weg zur Ostküste legen wir einen Waschtag ein. Im Grunde sind es nicht einmal zwei Stunden. Denn dank der immer noch brennend heißen Sonne ist die Wäsche ratzfatz trocken.




Wir haben Monemvasía erreicht. Die kleine mittelalterliche Stadt liegt nahezu uneinnehmbar auf einem Felsen vor der Küste und wird deshalb auch das "Gibraltar des Ostens" genannt.





Von hier fahren wir mit dem "Flying Dolphin", einem Tragflügelboot, gen Norden. Die Räder dürfen glücklicherweise mit an Bord.




Ziel der zweistündigen Überfahrt ist die kleine Insel Spetses. Hier machen vor allem Griechen Urlaub, ansonsten ist sie kaum bekannt.




Dann geht es wieder in die Berge. Diesmal ist es das Bergland von Argolis, das den Schweiß auf unsere Räder tropfen lässt.




Mittendrin liegt Epidauros, die bedeutendste antike Kultstätte für den Heilgott Asklepios. Das größte und am besten erhaltene Bauwerk ist ein in den Hang hinein gebautes Theater, das Platz für 14.000 Zuschauer bot. Die Akustik ist noch heute beeindruckend.



Nicht weit entfernt: Mykene. Die von dem deutschen Archäologen und Troja-Entdecker Heinrich Schliemann ausgegrabene Stadt begrüßt ihre Besucher mit dem berühmten "Löwentor" aus dem 13. Jh. v. Chr., der ältesten Monumentalplastik Europas.



Last but not least: Korinth. Neben dem riesigen Apollon-Tempel, der bereits aus der Ferne zu sehen ist, bewegt uns vor allem die antike Rednertribüne, weil auf ihr mit großer Sicherheit auch der Apostel Paulus gestanden hat.




Zu Korinth gehört natürlich auch der berühmte Kanal von Korinth, der den Peloponnes vom griechischen Festland trennt. Erste Pläne zu diesem 6 km langen Durchstich gab es bereits vor 2.600 Jahren, möglich wurde er jedoch erst Ende des 19. Jhs. - nach der Erfindung des Dynamits.



Von Korinth sind es nur noch zweieinhalb Tage bis Patras, dem Start- und Zielpunkt unserer Tour. Keine großen Anstiege mehr, keine brüllende Hitze, und auch die Mücken scheinen irgendwie müde geworden zu sein. Wir erheben noch einmal das Ouzo-Glas und besteigen die Nachtfähre, die uns in Richtung Heimat bringt.

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