Finnland




Ins "Land der tausend Seen" (tatsächlich sind es mehr als 188.000) hat es mich im Sommer 2006 verschlagen. Ein "Sommermärchen" ganz eigener Art. Denn die Spiele der heimischen Fußball-WM haben dieser Tour ihren Rhythmus gegeben.





Meine Route: Von Kirkenes im äußersten Norden über den wunderschönen Inarisee, das einsame Lappland, das waldreiche Grenzgebiet zu Russland, das nördliche Karelien und die finnische Seenplatte bis zur Hauptstadt Helsinki. Strecke mit dem Rad: 1.536 km. Höhenmeter: 9.120 m.



Das noch in Norwegen gelegene Kirkenes habe ich aufgrund eines günstigen Charterflugs als Startpunkt gewählt. Die 3.000-Einwohner-Stadt am Rand der Barentssee empfängt mich mit einem ziemlich usseligen Wetter.




Immerhin ist meine Ausrüstung mittlerweile so gut, dass ich mich am Ende der ersten Radetappe in ein trockenes Zelt zurückziehen und mir eine leckere Pasta kochen kann.



Dann klart der Himmel auch schon auf. Hier oben in Finnisch-Lappland ist man die meiste Zeit des Jahres mit dem Schneemobil unterwegs. In den übrigen Monaten übernehmen die Moskitos das Regiment.



Aber was sind schon ein paar (Dutzend) Mückenstiche gegen diese Aussicht auf den Inari-See! Durch seine über 3.000 Inseln wirkt er wie ein riesiges Wasser-Labyrinth.


Mein erster WM-Spiel-Stopp: das "Panimo" in Saariselkä. Deutschland gegen Schweden (2:0). Kaum hat sich rumgesprochen, dass ich aus Deutschland komme, erschallen laute "Saksa! Saksa!"-Rufe und ich bekomme den ganzen Abend Freibier.




Dann wird getanzt. Polka und Tango. Denn es ist der 20. Juni: Mittsommernacht! Und die wird hier oben, weit nördlich des Polarkreises, kräftig gefeiert.



So lerne ich Timo und Jarre kennen. Die beiden heißen nicht von ungefähr so wie zwei der "Sieben Brüder" von Aleksis Kivi. Sie leben auch so: erdverbunden, frei und abenteuerlustig!  



In den Sommermonaten pflegen sie eine uralte finnische Tradition: sie waschen Gold!




.... und das gar nicht mal so erfolglos! Stolz präsentieren sie mir, was sie in den letzten Sommern so gewaschen, eingeschmolzen und verarbeitet haben. Eine unvergessliche Begegnung!



Ich breche zu einer Wanderung auf. Das sollte man in Lappland mit möglichst weiter Kleidung und einem Moskitonetz über dem Kopf tun. Sonst wird man schlichtweg aufgefressen.





Die Landschaft rund um Saariselkä ist grandios. Moose, Flechten, Krüppelkiefern und eine nahezu endlose Weite.





So geht es denn auch in den nächsten Tagen auf dem Fahrrad weiter. Nur dass der Himmel sich wieder etwas zugezogen hat.




Finnische Städte und Siedlungen sind nicht wirklich schön. Der Zweite Weltkrieg hat kaum etwas an historischer Bausubstanz hinterlassen. Es dominiert eine nüchterne Betonarchitketur, wie hier in der Gemeinde Sodankylä.





Ein kurzer Zwischenstopp nur, dann hat die Wildnis mich zurück. So weit das Auge reicht ist keine Spur von Zivilisation zu sehen.



Oh, doch: eine Skisprungschanze! Ich bin in Ruka, einem bedeutenden Wintersportort. Der Berg, auf dem ich stehe, ist 492 m hoch und bietet im Winter eine immerhin 1.300 m lange Abfahrt.




Links Bäume, rechts Bäume und in der Mitte ein beständiges Auf und Ab. So geht es nun mehrere Tage lang. Irgendwo im Nirgendwo finde ich eine Kneipe, in der ich mir das WM-Viertelfinalspiel Deutschland - Argentinien (4:2 n.E.) anschauen kann.






Sieh an, es leben doch Menschen in dieser Abgeschiedenheit! Die Bewohner des kleinen Weilers Ala Vuokki erlauben mir, mein Zelt auf einer frisch gemähten Wiese aufzubauen.





Dann habe ich den 93 km langen Pielinen-See erreicht. Das nur einmal pro Woche verkehrende Fährschiff legt just heute ab. Beste Voraussetzungen für einen richtig schönen Erholungstag. Dumm nur, dass am Ende des Tages die deutsche Elf das Halbfinale gegen Italien verliert - mit zwei unglücklichen Toren in der 119. und 120. Minute.



Savonlinna, das Herz der finnischen Seenplatte und ein kultureller Hotspot noch dazu. Denn hier findet Sommer für Sommer das renommierte "Savonlinna Opera Festival" statt.

Schauplatz der großen Open-Air-Veranstaltung ist die mittelalterliche Burg Olavlinna. Ihr Hof bietet mehr als 2.200 Zuschauern Platz. Ich habe Glück und ergattere noch eine Karte für Mozarts "Zauberflöte". 





In Lahti habe ich das südliche Ende der Seenplatte erreicht. In der "Sporthauptstadt Finnlands" fanden bereits sechs mal die Nordischen Skiweltmeisterschaften statt. Die Fußball-WM ist einen Tag vorher zu Ende gegangen - mit einem Sieg der Italiener gegen die Franzosen. Deutschland ist auf dem dritten Platz gelandet, aber bekanntlich ja "Weltmeister der Herzen" geworden.




An die Stelle von Wäldern und Seen treten nun zunehmend Wiesen und Felder. Es ist schon seit Tagen fürchterlich heiß. Es wird langsam Zeit, ans Ziel zu kommen.





Die letzten Radkilometer fahre ich im 50 km östlich von Helsinki gelegenen Porvoo. In dem malerischen, sehr schwedisch geprägten Städtchen haben sich im 19. Jahrhundert zahlreiche Künstler und Schriftsteller niedergelassen; u.a. Johan Ludvig Runeberg, Finnlands Nationaldichter.



"M/S Runeberg" heißt denn auch das Schiff, das mich von Porvoo nach Helsinki bringt. Eine sehr angenehme Weise, in der finnischen Hauptstadt anzukommen - ganz ohne Abgase und Autoverkehr.



Zwei Tage habe ich noch, um mir Helsinki anzuschauen - bei allerbestem Sommerwetter! Neben dem weißstrahlenden Dom, der orthodoxen Uspenski-Kathedrale, der Finlandia-Halle, dem Sibelius-Monument und dem Olympiazentrum steht auch ein unvergesslicher Besuch im "Kave Moskva" an, der Kneipe meines Lieblingsfilmemachers Aki Kaurismäki.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen