Picardie

Ostertour 2023: eine Runde durch die Picardie. Das nordfranzösische Kohlerevier, vier beeindruckende Kathedralen, der berühmte Wald von Compiègne, viele Hügel und eine ganze Menge Gegenwind: das sind die Zutaten dieser Tour. Strecke: 468 km. Höhenmeter: 2.733 m.

Meine Tour beginnt in Valenciennes. Schon nach wenigen Kilometern quere ich die berühmte "Schneise von Arenberg", einen 2.400 m langen, geraden, mit Kopfstein gepflasterten Waldweg, der zum Symbol des legendären Radrennens "Paris - Roubaix" geworden ist.

Nicht weit entfernt: die Zeche von Lewarde. Sie steht für das nordfranzösische Kohlerevier wie die Zeche Zollverein für den Kohleabbau im Ruhrgebiet und beherbergt ebenfalls ein beeindruckendes Museum.

Die Arbeitersstadt Douai. Hier steht einer der schönsten Belfriede (Rathaustürme) Nordfrankreichs. Leider fehlt mir die Zeit ihn zu besteigen und mir sein großartiges Glockenspiel anzusehen ...

... denn ich will noch am selben Tag nach Arras. Aber auch da gibt es einen beeindruckenden Belfried. Besonders schön wirkt er am Abend, wenn er und die ganze Place de Héros kunstvoll illuminiert werden.

Am nächsten Morgen folge ich der Véloroute de la Mémoire, die an die Opfer des Ersten Weltkriegs erinnert und von zahlreichen Soldatenfriedhöfen gesäumt wird. Hier ist es der britische Friedhof von Warlincourt.

Immer wieder schön anzusehen, obwohl ich nun schon zum dritten Mal mit dem Rad hier bin: die Kathedrale von Amiens. Einen derart blauen Himmel hatte ich allerdings noch nie.

Ich bin früh genug dran, um auch einen Blick ins Innere werfen zu können, vor allem auf das weltberühmte Labyrinth in der Mitte unter dem Vierungsturm.

Am nächsten Tag habe ich mit kräftigem Gegenwind zu kämpfen. Es ist halt noch früh im Jahr, und da kann das Wetter schon mal turbulent sein.

Die zweite Kathedrale dieser Tour ist die von Beauvais. Sie sollte mal die größte Kirche der Christenheit werden. Aber wie das mit derart ambitionierten Vorhaben so ist: der Bau blieb unvollendet und steht heute nur noch mit Hilfe etlicher Stützen. Trotzdem ein beeindruckendes Bauwerk.

Nach Paris oder nach London? Ich bin auf einer Frankreich-Tour, also folge ich der Avenue verte in Richtung Paris.

Anders als in der französischen Hauptstadt sieht es in der Provinz oft ziemlich trist aus. Die meisten dieser Straßendörfer haben nicht mal mehr einen Bäcker und eine Kneipe.

Pierrefonds. Den kleinen Ort mit seiner imposanten Burg inmitten des Waldes von Compiègne habe ich schon bei besserem Wetter gesehen. Aber ich bin froh, dass ich angekommen bin. Denn der Tag war ziemlich anstrengend.

Die dritte Kathedrale. Ich bin in Soisson und werde vom Bischof höchstpersönlich begrüßt. Wer entdeckt den Pileolus, die bischöfliche Kopfbedeckung? ;-)

Endlich: Das Wetter ist wieder besser! Ich habe Laon, die "Stadt auf dem Berg" erklommen und besuche die vierte und letzte Kathedrale.

Sie ist mein persönlicher Favorit, denn sie strahlt durch ihre ebenmäßige, nicht "die Größte" sein wollende Architektur eine ungemeine Ruhe aus.

Außerdem hat sie eine faszinierende Silhouette. Am frühen Abend, zur "blauen Stunde" kommt sie besonders schön zur Geltung.

Aber auch sonst ist Laon ein schönes Städtchen, nicht zuletzt aufgrund der kunstvollen Graffitis, die die Wände ihrer mittelalterlichen Gassen zieren. Daran sollte sich manch anderer Sprayer ein Beispiel nehmen.

Tristesse picarde. Die nächste Etappe verlangt mir wieder einiges ab. Es ist kalt, ich habe Gegenwind und es gibt kaum etwas, an dem das Auge sich festmachen könnte. Hier gilt es dann einfach mal Strecke zu machen.

Da kommt so ein kleiner Ort wie Guise dann ganz gelegen. Hier hat der Fabrikant und Sozialist Jean-Baptiste André Godin in der Mitte des 19. Jh. einen schlossartigen Gebäudekomplex für seine Arbeiter errichtet, ...

... dessen Wohnungen noch heute vermietet werden. Der Familistère genannte Komplex gilt als der erste soziale Wohnungsbau der Moderne.

Ein anderer Großer kündigt sich an: Henri Matisse. Der Begründer des sog. Fauvismus hat das Licht der Welt in einem kleinen picardischen Dorf erblickt ...

... in Le Cateau-Cambrésis, wo man heute noch mächtig stolz auf ihn ist. Der Ort selbst hat wenig zu bieten, nicht mal ein ordentlichen Abendessen.

Die letzten Kilometer zurück nach Valenciennes fühlen sich wieder nach "Paris - Roubaix" an. Es geht über holpriges Kopfsteinpflaster - bei Gegenwind und verhangenem Himmel. Aber so ist sie eben, die Picardie: ein raues Stück Erde ganz im Norden Frankreichs.

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