Kanaren

Lanzarote, Fuerteventura und Gran Canaria. Drei der Kanarischen Inseln habe ich im Februar 2023 unter die Felgen genommen - und dabei drei völlig verschiedene Landschaften durchfahren (wenn man mal von den Küstenorten mit ihren All-inclusive-Anlagen absieht, denn die sehen überall gleich aus).

Die meisten Kilometer habe ich auf Lanzarote gemacht, die meisten Höhenmeter auf Gran Canaria. Highlights waren der Timanfaya Nationalpark, der Mirador del Rio, die Bucht von Cofete und das Kreuz von Tejeda. Strecke auf dem Rad: 512 km. Höhenmeter: 8.260 m.

Los geht's in Puerto del Carmen, einem der schöneren Küstenorte Lanzarotes. Noch sind die Strände ziemlich leer, da das Thermometer es gerade mal bis 20 °C schafft. Fürs Radfahren aber ist das ideal. Ich fahre zunächst an das im Hintergrund zu erkennende Südende der Insel ...

... über jenen Pass, dem Juli Zeh in ihrem Roman "Neujahr" ein Denkmal gesetzt hat: "Ihm tun die Beine weh. An der Unterseite, wo Muskeln liegen, die man selten beansprucht und deren Namen er vergessen hat. Der Wind sorgt dafür, dass er nicht schwitzt. Der Wind ist heftig heute, eigentlich zu heftig".

Was noch fehlt, ist eine ruppige Piste. Davon gibt es auf Lanzarote ziemlich viele. Diese hier führt mich zu einem besonders schönen Küstenabschnitt ...

... zur Costa de PapagayoGlasklares Wasser, schroffe Klippen, feine Sandstrände - und kaum eine Menschenseele, die sich hierher verirrt hat.

Noch schöner wird es an der Ostküste bei El Golfo. Hier brechen sich die mächtigen Atlantikwellen an einem bis zu 30 m hohen Lavafeld und hinterlassen eine äußert bizarre Küstenlandschaft.

Da sag noch einer, Lava- und Wüstenlandschaften seien eintönig. Jeder Fels hat seine eigene Farbe, jedes Gestein seine eigene Form. Dazu die klare Luft, das Rauschen der Wellen ... ¡Espléndido!

Ein Großteil der erst im 18. und 19. Jh. entstandenen Vulkanlandschaft wird heute durch den Timanfaya-Nationalpark geschützt. Im Hintergrund die Montañas del Fuego, eine aus 25 Kratern bestehende Bergkette, deren Gestein schon in einer Tiefe von 10 m über 300 °C heiß ist.

Ein paar Wolken, und schon sieht es aus wie in Island. Ich lasse mein Rad stehen und unternehme eine Wanderung durch diese unwirtlich schöne Landschaft.

Ups, die Wolken sind über Nacht hängen geblieben. Aber das kann sich auf einer Insel ja zum Glück schnell wieder ändern ...

... und so reißt der Himmel gerade rechtzeitig wieder auf, als ich den Mirador del Rio erreiche. Von dem auf einer knapp 500 m hohen Klippe gelegenen Aussichtspunkt hat man einen herrlichen Blick auf die kleine Nachbarinsel La Graciosa.

Nicht weit entfernt liegen die Jameos del Agua, eine teils eingestürzte Lavaröhre, die der Künstler und Naturschützer Cesar Manrique 1966 zu einer weltweit beachteten Kunst- und Kulturstätte umgebaut hat - inclusive Swimming pool.

In dem noch intakten Teil der Lavaröhre befindet sich heute ein 600 Zuhörer fassendes Auditorium, das regelmäßig für Konzerte und andere Veranstaltungen genutzt wird.

Einmal muss ich dann doch in einer dieser hässlichen Betonburgen absteigen, in Costa Teguise. Atmosphärisch gleicht es einer Mischung aus Bahnhofshalle und Großkantine. Dann doch lieber ein Hostel oder eine Casa Rural - so denn verfügbar.

Lanzarote ist bekannt für seinen guten Wein - und für seine besondere Anbauweise. Der ständig über die Insel peitschende Wind erlaubt nur die Einzelstockpflanzung in von Mauern geschützten Senken. Entsprechend teuer ist der Wein ...

... aber auch gut, wie etwa der von La Geria. Ich kann ihn natürlich nur in Maßen genießen, da schon die nächste Insel ruft und noch ein paar Kilometer vor mir liegen.

Fuerteventura. Auf den ersten Blick nicht gerade einladend. Schuld daran ist die Calima, ein starker Ostwind, der die Luft mit Sand und Staub aus der Sahara eintrübt. Die im Hintergrund zu sehenden Surfer scheint es nicht sonderlich zu stören.

Für mich als Radfahrer ist der Wind schon eine Herausforderung. Hier hat er bereits eine der historischen Windmühlen zerlegt. Aber ich hätte es wissen müssen: Fuerte ventura bedeutet nichts anderes als "starker Wind".

Hinzu kommen ein paar knackige Steigungen. An dieser hier hänge ich etwa so schräg im Wind wie die zwei Palmen, die sich überraschenderweise an dieser ausgesetzten Stelle halten konnten.

Als Belohnung gibt es einen herrlichen Blick über das karge Inselhochland und ...

... eine prächtige Abfahrt nach Betancuria. Die lediglich 758 Einwohner zählende Gemeinde war einmal die Hauptstadt der gesamten Kanaren, gegründet 1404 von dem adeligen Eroberer Jean de Béthencourt, dessen Namen sie bis heute trägt.

Nach ein paar weiteren Auf und Abs geht es schließlich wieder hinunter zur Küste und deutlich besserem Wetter entgegen.

Costa Calma. Der Name hält, was er verspricht: für ein paar Stunden ist kaum ein Windzug zu spüren. Es ist angenehm ruhig und warm.

Ganz anders hier, nur wenige Kilometer weiter westlich. Ich habe das schroffe Jandía-Massiv überquert und steige zur windumtobten Playa de Cofete ab. Bei dem weit und breit einzigen Gebäude, das auf dem Bild zu sehen ist, handelt es sich um die mysteriöse Casa Winter.

Das 1936 errichtete Haus soll nach dem Krieg der vorübergehenden Unterbringung von Nazi-Größen gedient haben, vor deren Auswanderung nach Südamerika. Einige mutmaßen gar, dass ein plastischer Chirurg ihnen ein neues Aussehen gab.

Nur einen Steinwurf entfernt liegt der Cementero de Cofete, ein kleiner Friedhof, auf dem vor allem Schiffbrüchige beigesetzt worden sind. In jedem Fall ein eigenwilliges Fleckchen Erde ...

... was man von dieser Ansiedlung nicht sagen kann. Las Palmas, die Hauptstadt Gran Canarias, ist nicht gerade besonders schön. Eine Großstadt wie viele in Spanien.

Deshalb breche ich gleich am nächsten Morgen auf, um das Inselinnere zu erkunden. Und das ist - zumal auf der Nordseite - überraschend grün.

Erstes Etappenziel ist der kleine Ort Teror, der für seine wunderschönen Holzbalkone und die Wallfahrtskirche Nuestra Señora del Pino bekannt ist. Die "liebe Frau von der Kiefer" wird auf den ganzen Kanaren als Schutzpatronin verehrt. Entsprechend rege ist der Wallfahrtsbetrieb.

Dann erst geht es richtig bergauf. In endlosen Serpentinen zieht sich die kleine Straße die mächtigen Vulkanberge Gran Canarias hinauf. Wie gut, dass ich mittlerweile eingefahren bin ...

Geschafft! Der höchste Pass Gran Canarias ist erklommen. 1.520 m ist er hoch, markiert durch ein altes steinernes Kreuz, die Cruz de Tejeda.

Und das ist der Ausblick!

Ich übernachte in dem kleinen Bergdorf Tejeda und fahre am nächsten Tag weiter in Richtung Süden - durch wabernde Wolken und an blühenden Mandelbäumen vorbei. Was für eine schöne Schlussetappe!

Knapp 1.900 Höhenmeter mache ich am letzten Tag - bergab! Weh dem, der diese Strecke in umgekehrter Richtung unter die Felgen nimmt. ;-)

Endstation Maspalomas. Ein paar Dünen und Dutzende von Bettenburgen. Alles, was der Pauschalurlauber braucht. Für mich heißt es hier schnell Adiós zu sagen.

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