Alaska

Alaska ist fünfmal so groß wie Deutschland, hat aber weniger Einwohner als Köln. Denn der größte Bundesstaat der USA besteht vor allem aus unerschlossener Wildnis. Vor 30 Jahren bin ich schon einmal dort gewesen - um zu arbeiten. Nun also, im Sommer 2023, um Rad zu fahren.

Ich fahre von Anchorage nach Juneau. Über Valdez und Tok, durch den Wrangell- und den Kluane-Nationalpark, das kanadische Yukon Territory und die Goldgräberstädte Skagway und Haines. Strecke insgesamt: 1.751 km. Mit dem Rad: 1.523 km. Höhenmeter: 10.459 m.

Wer im Sommer durch Alaska fährt, muss sich auf Heerscharen von Moskitos einstellen. Da kann ein Gesichtsnetz äußerst nützlich sein. Ich habe es nicht immer getragen, an manchen Tagen aber hat es mich davor bewahrt regelrecht aufgefressen zu werden.



Und auf noch etwas sollte man gefasst sein: Bären. Vor allem, wenn man sein Zelt nicht auf einem Campground, sondern in der Wildnis aufstellt. Dann heißt es: den Platz sorgfältig auswählen, an einer anderen Stelle kochen, alles Duftende  in einen Baum hängen und das Pfefferspray bereithalten.

Schließlich kann auch das Wetter zu einer Herausforderung werden - wie hier, auf meiner ersten Etappe von Anchorage zum Prince William Sound. Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt, Graupelschauer, kräftiger (Gegen-) Wind ...


Die am Prince William Sound gelegene Kleinstadt Valdez (weltweit bekannt geworden durch die Havarie des Öltankers Exxon-Valdez im Jahr 1989) ist einer der regenreichsten Orte der Welt. Und so erlebe ich ihn auch: Es regnet durchgehend von morgens bis abends.

Dann aber wendet sich das Blatt. Ich habe Kaiserwetter, als ich auf die McCarthy Road (eine 100 km lange Schotterpiste) abbiege, um in den - so heißt er ganz genau - Wrangell St. Elias National Park - zu gelangen, das größte Naturschutzgebiet der Vereinigten Staaten.

Höchster Berg des Parks ist der 4.996 m hohe Mount Blackburn. Die meiste Zeit des Jahres versteckt er sich hinter dicken Wolken. Was für ein Glück also, dass er sich mir in seiner ganzen Pracht zeigt!

Aber auch jenseits der weißen Riesen ist es im Wrangell wunderschön. Sattgrüne Kiefern, hellgrünes Gras, glasklares Wasser ... Die lästigen Moskitos denken wir uns jetzt einfach mal weg.

Am Ende der McCarthy Road liegt die Kennicott Mine, eine aufgelassene Kupfermine, die seit einigen Jahren wieder instandgesetzt wird. Da es nicht allzu viele bis hierher schaffen, ist es ein ruhiger, geradezu verträumter Ort, der einen fast vergessen lässt, unter welch harten Bedingungen hier einmal gearbeitet worden ist.

Gleich nebenan liegt der Kennicott Glacier, ein 35 km langer Talgletscher, den ich gemeinsam mit Maik erklimme, einem anderen Radler aus Deutschland, mit dem ich mich mittlerweile angefreundet habe, weil er auf derselben Route unterwegs ist und wir uns immer wieder begegnen.

Weil das Wetter so außerordentlich gut ist, entschließen wir uns kurzerhand einen Rundflug über den Nationalpark zu machen. Kein ganz billiges Unternehmen, aber ein absolut lohnendes. Außerdem haben wir ja ansonsten kaum Kosten.

Unser Pilot Orven hat die kleine Cessna der Wrangell Mountain Air gut im Griff und bringt uns erstaunlich nah an die vergletscherten Riesen heran. Wir sind fast zwei Stunden unterwegs.

Das Nabesna Icefield, mit einer Länge von 80 km einer der längsten Talgletscher der Welt. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Er schmilzt in einem rasanten Tempo dahin. Die Gründe dafür sind bekannt.

So sieht es aus, wenn ich abends mein Zelt aufschlage. Hier habe ich einen besonders komfortablen Platz gefunden, denn der Boden ist eben und es steht ein Bank-Tisch-Kombi bereit. Das erleichtert das Kochen ungemein. Vorher allerdings ...

... muss ich erst einmal Wasser filtern. Denn so klar es auch aussieht, es kann den Einzeller guardia lambia enthalten, der sich vor allem durch Biberkot verbreitet und das berüchtigte "Bieberfieber" verursacht, mit dem sich schon die Trapper und Goldgräber herumgeschlagen haben.

Am nächsten Morgen habe ich eine Nachbarin. Eine junge Elchkuh, die auch etwas von dem Wasser haben will. Wir grüßen einander freundlich und gehen dann wieder unseren Beschäftigungen nach. Mit Bären muss ich an dieser Stelle eher nicht rechnen ...

... denn die bevorzugen Gewässer, in denen Lachse dicht an dicht gedrängt flussaufwärts ziehen, um zu laichen und dann - ob ihrer langen Reise völlig entkräftet - zu verenden.

Und siehe da: Ein paar Tage später ist es soweit. Ich erspähe einen jungen Schwarzbären, der sich gerade am Buffet bedient. Ich habe ihn natürlich mit einem Teleobjektiv fotografiert. Aber er hätte ohnehin wenig Interesse an mir gehabt, denn der Lachs schmeckt sicher dreimal besser als ich.

Ein anderer, etwas älterer Bär. Er sitzt nur wenige Meter vom Straßenrand entfernt und ist intensiv mit den Beeren beschäftigt, von denen einige noch links unten zu sehen sind. Einem Grizzly bin ich auch begegnet. Der wollte mir doch glatt die Vorfahrt nehmen. Ich hätte mich aufregen können. Aber freundlich wie ich bin, habe ich ihn gelassen.

Die katholische Kirche von Tok. Ein kleines Stück Zivilisation. Hier kann ich einen Gottesdienst mitfeiern und mal wieder in einem richtigen Bett schlafen. Die nächste Kirche ist übrigens 250 km entfernt. Die sechs Kirchen meiner Pfarrei liegen maximal 2 km weit auseinander und ... aber nein, ich bin im Urlaub!

Zurück in der Wildnis. Ich bewege mich nun auf dem Alaska Highway, einer 2.237 km langen Fernstraße, die erst 1942 gebaut wurde, um Alaska an die südlicheren US-Staaten (und an Kanada) anzubinden. Autos bekomme ich nur dann und wann mal zu sehen, dafür aber die Kluane Range ...

... und den Kluane Lake. Er liegt im Gebiet der Lhù' ààn Mân Ku Dań, der Kluane First Nation, die hier seit Jahrhunderten zuhause ist. Heute leben rund um den See allerdings nur noch 175 Indigene.

Umso schöner, dass noch recht viele Zeugnisse ihrer Kultur erhalten sind. Stammeshäuser, Totempfähle, rituelle Masken und anderes. 


Auf den letzten Kilometern sammel ich nochmal kräftig Höhenmeter. Etwa Tausend sind es pro Tag.

Dann bin ich in Haines. Von hier geht es nur noch per Schiff oder Flugzeug weiter.

Ich entscheide mich für das Schiff und fahre zunächst in das nur 30 km entfernte Skagway.

Da die Kleinstadt auch von Kreuzfahrtschiffen angesteuert wird, geht es hier ganz schön quirlig zu. Wie vor 120 Jahren, als Heerscharen von Goldgräbern den Ort überfielen, um am Klondike ihr Glück zu suchen.

Um dorthin zu kommen, mussten sie einen steilen Pass überwinden, den berüchtigten Chilkoot Pass. Und das im Winter bei eisigen Temperaturen. Nicht jeder hat es überlebt.

Heute kommt man wesentlich leichter ins Hinterland. Auf einer der schönsten Eisenbahnstrecken Nordamerikas, der White Pass & Yukon Route. Für eine Hand voll Dollar kann man bis zum Pass und wieder zurück nach Skagway fahren.

Von Skagway geht es dann auf dem Alaska Marine Highway zum Endpunkt meiner Reise, nach Juneau. Dass ich die sog. Inside Passage bei wolkenlosem Himmel erleben kann, ist wieder ein außerordentliches Glück. Denn so zeigt sich Alaskas Südostküste bestenfalls ein zwei Mal pro Jahr.

Am Ziel meiner Reise: St. Paul's Parish, Juneau. Hier habe ich vor 30 Jahren einen Sommer lang gearbeitet und eine ganze Menge erlebt. Aber davon erzähle ich ein anderes Mal.

Jetzt gilt es erst einmal Abschied zu nehmen von einer der entlegensten, forderndsten, aber auch schönsten Naturlandschaften unserer Erde. Von Alaska.

2 Kommentare:

  1. Wieder einmal ein wunderschöner Radreisebericht mit tollen Fotos und Texten.

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  2. Eine beeindruckende Reise, wunderschöne Fotos und ein toller Bericht. Danke!

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