Kanada (West)

Die kanadischen Rockies. Schon als Kind haben mich Natur- und Abenteuerfilme aus dieser Ecke der Welt fasziniert. Im Sommer 2005 war dann die Zeit reif für ein eigenes Abenteuer: meine erste Radtour durch die Rocky Mountains.




Von Calgary nach Vancouver ging es. Über den berühmten Icefields Parkway zum 3.954 m hohen Mount Robson, dem höchsten Berg der Canadian Rockies, dann über Kamploops nach Whistler in den Coast Mountains und schließlich über Vancouver Island nach Vancouver. Strecke mit dem Rad: 1.434 km. Höhenmeter: 11.790 m.

Meine Reise beginnt bei Hans und Martha Daniel. Sie aus Gescher, er aus Velbert. Im Sommer 1952 sind die beiden ausgewandert. Ich habe sie über die deutsche Gemeinde in Calgary kennengelernt. Zwei Tage verbringe ich bei ihnen und erfahre so gleich zu Beginn meiner Tour eine ganze Menge über das berühmte Einwanderungsland Kanada.

Die beiden Wahrzeichen Calgarys: der 190 m hohe Aussichtsturm Calgary Tower aus dem Jahr 1967 und die Multifunktionsarena Saddle Dome, gebaut für die Olympischen Winterspiele 1988. Heute findet hier Jahr für Jahr die legendäre Calgary Stampede statt, das größte Rodeo der Welt.




Bevor Calgary zu einer modernen Großstadt wurde (durch Ölfunde in den 1940er Jahren), regierte hier Sitting Eagle, Häuptling der Stoney Nakoda First Nation. Ihr Stammesgebiet umfasste große Teile des heutigen Bundesstaates Alberta.


Mittlerweile ist es zu einem kleinen Reservat geschrumpft, das ich gleich auf meiner ersten Tagesetappe durchquere. Es liegt noch in der Prärie, aber die Rockies sind schon in greifbarer Nähe.



So etwa muss es ausgesehen haben, als die weißen Siedler den Stoney Nakodas ihr Land abgeschwatzt haben. Das Bild hängt in der McDougall Memorial Church inmitten des heutigen Reservats.


Meine erste Unterkunft. Kleiner Scherz! Das Banff Springs Hotel ist eine der nobelsten Herbergen Nordamerikas. Gebaut wurde es 1888, um vermögende Kanadier in den Westen des Landes zu locken und die gerade fertiggestellte transkontinentale Eisenbahnstrecke zu fördern.



Kurz hinter Banff beginnt der berühmte Icefields Parkway. Das 230 km lange Teilstück des Highway 93 verläuft komplett durch zwei der schönsten Nationalparks der Welt, den Banff und den Jasper National Park.

Leider ziehen die über 3.000 m hohen Berge jede Menge Wolken an, so dass ich den wunderschönen Moraine Lake leider nur ziemlich eingetrübt zu sehen bekomme. Bei Sonnenschein hat sein Wasser eine smaragdgrüne Färbung.



Hier, hoch über dem Petoy Lake brechen ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und ich ahne, wie atemberaubend das Panorama unter einem blauen Himmel sein muss.

Und dann zeigt er sich doch noch, der blaue Himmel. Über den Stromschnellen des Athabasca River


Auf der Straße begegnen mir jetzt immer häufiger Tiere als Autos. Hier ist es ein junger Wapiti-Hirsch. Er gehört zur Familie der Rothirsche, wird aber wesentlich größer als seine europäischen Verwandten.

Der hier macht sich nicht viel aus Größe, er ist auch als Winzling wunderschön: ein Chipmunk, ein nordamerikanisches Streifenhörnchen.




"Und täglich grüßt das Murmeltier ..." Ein Mountain Marmot. Es ist wesentlich neugieriger und zugänglicher als seine Verwandten in den Alpen.


Sieht auch sehr putzig aus, ist aber deutlich gefährlicher: eine Schwarzbärenmutter mit ihrem Jungtier. Wehe dem, der zwischen die beiden gerät! In den Rockies kommt es immer wieder mal zu Bärenattacken. Nicht wenige gehen tödlich aus.

Deshalb ist jeder Zeltplatz mit solchen Bear Poles ausgestattet. So kann man alles, was Bären anlocken könnte (Lebensmittel, aber auch Hygieneartikel) in sicherer Höhe aufhängen. Die Kratzspuren an der Metallummantelung des Pfahls belegen, dass es dennoch so mancher Bär versucht hat.



Die meisten Nächte verbringe ich im Zelt. Manchmal aber liegt auch eine Hütte oder ein Hostel am Weg, wie dieses hier in der Nähe der Athabasca Falls.


Es hat sogar eine kleine Sauna. Herrlich nach einer anstrengenden Bergetappe!

Der Icefields Parkway endet in Jasper, einer kleinen Siedlung inmitten der Wildnis. Es ist der 1. Juli, Canada Day! Die Kanadier begehen ihren Nationalfeiertag gern mit Umzügen und Paraden, die an die Siedlungsgeschichte des Landes erinnern.


In Jasper stoße ich auf den Yellowhead Highway, benannt nach einem Trapper vom Volk der Irokesen. Vor mir der 2.901 m hohe Mount Fitzwilliam. Wie eine Pyramide ragt er aus dem dichten Wald empor.

Nur eine Tagesetappe weiter liegt der höchste Berg der Canadian Rockies, der 3.954 m hohen Mount Robson. Hier lasse ich mein Rad für einen Tag stehen und nehme den 26 km langen Berg Lake Trail unter die Füße. 


Der Yellowhead biegt nun gen Süden ab und beschert mir neben dunklen Wolken einen fürchterlichen Gegenwind. Trotz größter Anstrengung komme ich kaum über 10 km/h hinaus - und das den ganzen Tag lang.



Ziemlich erschöpft erreiche ich Kamloops. Die 90.000-Einwohner-Stadt ist nicht sonderlich schön, bietet aber einiges an Komfort. Endlich mal wieder auf einer bequemen Matratze schlafen!!

Auf dem westlich der Stadt gelegenen Kamloops Lake verkehrten zur Goldrausch-Zeit Dampfschiffe. Die heutigen Straßen gab es noch nicht. Das Land wurde entweder auf Wasserwegen erschlossen oder auf Eselspfaden.


Ich folge dem Gold Rush Trail in Richtung Westen, und abermals macht mir der Wind zu schaffen. Diesmal ist es ein strenger Seitenwind.


Von den Siedlungen und Farmen, die der Gold Rush Trail einst miteinander verband, sind einige liebevoll restauriert worden. Hier die Hat Creek Ranch in der Nähe von Cache Creek. Man könnte meinen, Charles Bronson käme gleich um die Ecke.

Auch der First Nation begegnet man immer wieder. Links ein restaurierter Totempfahl, rechts ein Diakon, den ich in Lillooet kennenlerne. Er gehört dem Volk der St'at'imc an und trägt eine Stola aus Hirschleder, die ihm seine Stammesbrüder geschenkt haben.


In Lillooet beginnt der Anstieg in die Coast Mountains. Und was für einer! Die erst seit den 1990er Jahren asphaltierte und im Winter oft unpassierbare Duffy Lake Road hat eine Steigung von bis zu 16 % und erklimmt gut 1.400 Höhenmeter. Ein ordentliches Stück Arbeit!

Ganz oben in den Coast Mountains liegt Nordamerikas größtes Skigebiet: das Whistler-Blackcomb-Resort. Von dort geht es wie im Sturzflug hinunter zum Pazifik, auf dem spektakulären Sea-to-Sky-Highway (der für mich zum Glück ein Sky-to-Sea-Highway ist).


Mit einem Mal bin ich in einer anderen Welt: blauer Himmel, Sonnenschein, angenehme Temperaturen ... Der Mann, dem hier im Hafen von Nanaimo auf Vancouver Island ein Denkmal gesetzt wurde, war keineswegs ein Pirat. Er hat sich nur gern als solcher verkleidet. Es ist Frank Ney, der Initiator eines lustigen Badwannenrennens über die Georgia Straight.

Die Georgia Straight ist jener Meeresarm, der Vancouver Island von der Festlandküste British Columbias trennt. Im Hintergrund der eisbedeckte Mount Baker, einer der mächtigen Kaskaden-Vulkane, die wiederum zum pazifischen Ring of Fire gehören.

Zu seinen Füßen das Ziel meiner Reise: Vancouver. Und schon wieder ein Denkmal. Diesmal zeigt es den kanadischen Sprinter Harry Jerome, der in den 1960er Jahren erfolgreich war. Dahinter der Business District mit dem Harbour Center und seiner weithin sichtbaren Aussichtsplattform.

Von hier oben kann man am leichtesten nachvollziehen, warum Vancouver zu den Städten mit der weltweit höchsten Lebensqualität zählt: Wasser, Inseln, Wald und Berge - all das ist in nächster Nähe verfügbar.

Wie schon in Calgary steige ich wieder in einer deutschen Gemeinde ab und verbringe den letzten Abend meiner Tour im "Vancouver Alpen Club" - mit Bratwurst, Sauerkraut und Spatenbräu. Und mit einer kleinen Kapelle, die Stücke wie "Kornblumenblau" und "Patrona Bavariae" zum Besten gibt.

Dann  geht es heimwärts, noch einmal über die Coast und die Rocky Mountains hinweg - diesmal jedoch ohne jede Anstrengung ...

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