Rocky Mountains (Nord)

Mit dem Fahrrad durch die Rockies. Davon habe ich seit den Lassie-Filmen meiner Kindheit geträumt. Denn die sind genau hier gedreht worden: in British Columbia, Alberta und Montana. Im Sommer 2011 war es dann soweit. Ich bin mit dem Flieger nach Vancouver und von dort in das kleine Städtchen Kamloops.

Von hier geht es hinauf in die Berge. Von einem Pass zum anderen. An meiner Route liegen einige der schönsten Nationalparks Nordamerikas. Und ich habe das Glück, die meisten von ihnen bei bestem Wetter zu erleben. Strecke: 1.523 km. Höhenmeter: 11.274 m.

Los geht es jedoch mit einem kräftigen Gewitter. Gleich hinter Kamloops, das eigentlich für sein ausgesprochen trockenes Klima bekannt ist. Aber das passt zum Wind. Auch der dürfte mir "eigentlich" nicht entgegen blasen.

Ein gutes Stück muss ich mangels Alternative auf dem (über 8.000 km langen) Trans Canada Highway fahren. Der ist jedoch so gut ausgebaut, dass es mindestens einen breiten Seitenstreifen, oft sogar eine parallel verlaufende Service Lane gibt.

Dann aber! Glacier National Park, der erste große Nationalpark. Seinen Namen hat er von den über 400 Gletschern, auf die jedes Jahr sage und schreibe 17 Meter Neuschnee fällt. So war es zumindest, bevor der Klimawandel so richtig in Fahrt gekommen ist.

Unmittelbar vor mir erhebt sich der 3.284 m hohe Mount Sir Donald, einer der markantesten Gipfel der Selkirk Mountains. Zu seinen Füßen ein einsam gelegener Campground.

Hier muss ich bleiben und mein Zelt aufbauen. Das ist für Hiker und Biker ziemlich günstig. Es kostet gerade mal 5 Dollar. Dafür gibt es dann eine Feuerstelle, einen Tisch mit Bänken und jede Menge Platz.

Ein Blick in meine bescheidene Bleibe, bestehend aus Schlafraum, Küche und Wohnzimmer. Die Küche wird bei trockenem Wetter natürlich ins Freie verlegt.

Heute gibt's zur Abwechslung mal ... Spaghetti mit Tomatensauce. ;-)

Das Wetter ist einigermaßen stabil. Also lasse ich das Fahrrad stehen und breche zu einer Bergtour auf. Ich folge dem 12 km langen Glacier Crest Trail hinauf zum bis zu 2.800 m hoch gelegenen Illecillewaet Glacier. Eine anstrengende, aber lohnende Tour.

Dann geht es weiter in den Yoho National Park. Im gesamten Park gibt es lediglich einen Ort mit 230 Einwohnern. Ansonsten nur Wälder, Wasser und schroffe Berge. Eine faszinierende Naturlandschaft!

Regelrecht städtisch mutet dagegen Lake Louise an. Die bereits in der Provinz Alberta gelegene Gemeinde ist einer der angesagtesten (und teuersten) Touri-Hotspots in den kanadischen Rockies. Leider kippt das Wetter hier etwas ...

... so dass ich das wunderschöne Bow Valley nur wie durch einen Schleier zu sehen bekommen. Dafür hat aber die Nahperspektive so einiges zu bieten.

Diesen prächtigen Wapiti-Hirsch zum Beispiel. Das frische Grün am Straßenrand hat ihn aus dem Wald gelockt. Dass ich ihm relativ nahe komme, scheint ihn überhaupt nicht zu stören.

Dasselbe gilt für diesen Genossen - wobei eine Unmutsbekundung hier sicher fatalere Folgen hätte. Aber keine Sorge: ich habe natürlich ein Teleobjektiv verwendet!

Die Kanadier nehmen's mit Humor.

Zwei Pässe weiter, und ich bin im Kootenay National Park. Der liegt wieder in British Columbia und ist ähnlich unberührt wie der Yoho

Dann wird das Wetter auch schon wieder besser. Ich folge dem Oberlauf des Columbia River, auf dem schon die berühmte "Lewis-und-Clark-Expedition" in die kanadische Wildnis vorgedrungen ist. Das war im Jahr 1805. 

60 Jahre später wurde Fort Steele gegründet, ein Militär- und Handelsposten, der den Ausbau des Canadian Pacific Railway beschleunigen und beschützen sollte. Heute ist das Fort ein faszinierendes Freilichtmuseum.

Der hier führt seine Pferde nur für die Besucher aus. Es gibt aber auch Werkstätten und Geschäfte, die "ganz wie früher" betrieben werden, und Häuser, in denen auch heute noch Menschen leben. Man kann daher ziemlich gut in den "Wilden Westen" eintauchen.

Die dazu gehörende Hitze gibt es auch. In der kleinen Minenstadt Sparwood zum Beispiel. Hier wurde jahrzehntelang Steinkohle gefördert. Kurios, dass ich hier einer Frau begegne, die ihrem Mann einst zur Zeche Hugo in Gelsenkirchen-Buer gefolgt ist.

Nur wenige Kilometer weiter südlich hat am 29. April 1930 ein gewaltiger Bergsturz das kleine Dorf Frank unter sich begraben. Fast alle Einwohner sind gestorben. Nur die, die sich gerade unter Tage befanden, konnten größtenteils gerettet werden.

Zurück zur Schönheit der Natur. Wie eine mächtige Pyramide erhebt sich der 2.785 m hohe Crowsnest Mountain über die sattgrünen Nadelwälder. Er liegt ganz am Rande der Rocky Mountains. Auf seiner Rückseite liegen bereits ...

... die Great Plains, die hier am Fuße der Rockies gar nicht so flach sind wie man meint. Ich sammle weiter Höhenmeter, noch dazu bei einem ordentlichen Gegenwind.

Dann kehren die schützenden Berge zurück. Ich bin im Waterton Lakes National Park. Hier ist die Blackfoot First Nation zuhause (oder wie man früher noch sagen durfte: die Schwarzfuß-Indianer). Und ich habe das große Glück, an einem Stammestreffen teilnehmen zu können.

Solche Pow-wows finden heute mindestens einmal im Jahr statt und sind für die oft zerstreut in Reservaten lebenden Blackfoot ein enorm wichtiges identitätsstiftendes Ereignis.


Ich treffe gerade rechtzeitig ein, um noch die Ansprache von Chief Healy Crow mitzubekommen. 


Danach wird kräftig getanzt und gefeiert.

Tags darauf erreiche ich Chief Mountain und den zu seinen Füßen liegenden Grenzposten. Es geht von Kanada in die USA hinüber, von Alberta nach Montana ...

... und in den nächten Nationalpark hinein. In den Glacier National Park. Genau: der heißt wie sein Verwandter in Kanada, sieht aber völlig anders aus.

Seine Lebensader ist die Going-to-the-Sun-Road, eine der schönsten Hochgebirgsstraßen, auf denen ich je unterwegs gewesen bin. Und ja: ich fahre natürlich mit dem Fahrrad hinauf!

Höchster Punkt ist der 2.025 m hohe Logan Pass, eine der kontinentalen Wasserscheiden.

Von dort schlängelt sich die Straße über viele Kilometer nahezu eben an einer Felswand entlang, bevor sie sich wieder in die Tiefe stürzt. 



Auch hier gibt es noch mal einige schöne Tierbegegnungen. Zum Beispiel mit diesem Mountain Marmot, einem nordamerikanischen Verwandten des alpinen Murmeltiers.

Oder auch mit diesen beiden aus der Familie der Mountain Goats. Anders als ihre Namen und ihr Aussehen vermuten lassen, gehören sie nicht der Gattung Ziege, sondern der Gattung Gämse an. Und so geschickt bewegen sie sich denn auch.


Zurück in der Zivilisation. Meine Tour durch die Rocky Mountains endet in Missoula. Das kleine Städtchen ist mir nicht ganz unbekannt, da schon eine Tour durch die südlichen Rockies hier ihr Ende gefunden hat. Auch sitzt hier die Adventure Cycling Association (ACA), deren Mitglied ich seit vielen Jahren bin.

Und so beschließe ich meine Tour wieder mit dem schönen Brauch, mich herzlich begrüßen zu lassen, mir ein großes Eis zu nehmen und mich an der riesigen Pinnwand des ACA-Büros zu verewigen. Am 16. August 2011.

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