Island







Die Insel aus Feuer und Eis. Ich habe sie bereits 1988 mit dem Rad bereist. Gemeinsam mit Alex. Damals hatten wir noch Zeit. Fast 6 Wochen sind wir auf der unwirtlichen Insel unterwegs gewesen - und haben sie erlebt, wie sie heute kaum mehr zu erleben ist: frei von Touristenströmen, Absperrungen, Parkplätzen und Kassenhäuschen. Ein richtiges Abenteuer war es noch ...






Unsere Route: Von Reykjavik auf der damals noch nicht asphaltierten Ringstraße in Richtung Osten, mit zwei wunderbaren Abstechern nach Þórsmörk und in den Skaftafell-Nationalpark am Rande des Vatnajökull. Über die Ostfjorde hinauf in den kargen Norden, über die ruppige Kjölur-Piste durchs Hochland und schließlich auf gewundenen Pfaden über den geothermischen Hotspot Landmannarlaugar und das geschichtsträchtige Þingvellir zurück nach Reykjavik. Strecke: 1.570 km. Höhenmeter: ca. 10.600 m.




Unsere Räder konnten wir damals nicht einfach im Flugzeug mitnehmen, sie mussten per Post vorausgeschickt werden: ein Gazelle-Hollandrad und ein Herkules-Cityrad, beide mit einer 3-Gang-Nabenschaltung. Man beachte die Unmenge an Gepäck, die mich zu Beginn der Tour so verzweifelt dreinschauen lässt. Ebenso die weißen Turnschuhe und die gummierte Regenjacke, die damals als ungemein chick und praktisch galten.


Unser erstes Nachtlager, etwa 80 km östlich von Reykjavik. Immerhin haben wir schon ein ziemlich gutes Helsport-Tunnelzelt dabei und einen recht leistungsstarken Benzinkocher. Beides ist bei dem doch recht feuchten und windigen Wetter überaus nützlich. Die Tagshöchsttemperatur bewegt sich in den ersten Tagen so um die 12 Grad Celsius. Dazu gehen regelmäßig Schauer nieder.



Die Piste, die uns nach Þórsmörk bringt, müssen wir immer wieder mit Wasserläufen teilen. Die ersten kommen noch recht harmlos daher ...



... dann aber ist kein Fahren mehr möglich. Wir müssen unsere gesamte Ausrüstung 18 mal (!) durch solche Gletscherläufe tragen. Bei diesem reicht das eiskalte Wasser nur bis zur Wade, bei anderen bis zum Knie, bei wieder anderen gar bis zur Hüfte. Es ist, um ehrlich zu sein, eine ziemliche Tortur.



Aber jede Mühe hat auch ihren Lohn. In diesem Fall ist es eine traumhaft schöne Wanderung am Rande des Gletschers Myrdalsjökull, die wir am nächsten Tag dann unternehmen können.






Zurück auf der Ringstraße erreichen wir den Skógafoss, der sich auf einer Breite von 25 Metern 60 Meter in die Tiefe stürzt. Wir teilen diesen Anblick mit gerade mal zwei weiteren Personen. Heute ist der Parkplatz oft von Autos und Wohnmobilen überfüllt.









Nur einen Tag später: es ist ein fürchterlicher Sturm aufgezogen. Alex kann sich noch gerade so auf den Beinen halten und auch das Zelt ist, obwohl bestens abgespannt, auf ein Drittel seines Volumens zusammengedrückt. Irgendwie haben wir darin die Nacht verbracht und fragen uns nun, wie wir es abgebaut bekommen, ohne dass es uns davon fliegt oder in Fetzen zerreißt.



Der Sturm hält den ganzen Tag über an. Wir können uns kaum auf den Rädern halten und stemmen uns größtenteils schiebend gegen den Wind. Dabei werden wir derart von schwarzer Lavaasche eingestaubt, dass wir am Abend aussehen, als seien wir gerade einem Pütt entstiegen.



Wir haben den Skaftafell-Nationalpark erreicht, und es ist Zeit für eine Pause vom Kampf auf dem Rad.



Wir unternehmen abermals eine wunderschöne Wanderung jenseits aller Zivilisation. Nicht mal den kleinsten Pfad gibt es hier ...




... dafür diesen herrlichen Ausblick auf eine Zunge des Vatnajökulls. Er ist der mächtigste Gletscher Europas. Seine Zungen transportieren Asche und schwarzes Lavagestein auf ihrer Oberfläche. Durch die unregelmäßige Bewegung des sich talwärts schiebenden Eises entstehen die bizarren Muster, die wir hier zu sehen bekommen.




Der nächste Höhepunkt, ebenfalls am Rande des Vatnajökulls: der Jökulsárlón. Eine Lagune, gefüllt mit Gletschereis. Auf die nahe am Ufer schwimmenden Eisberge kann man trockenen Fußes springen, sollte dabei nur darauf achten, dass sie nicht ins Innere der Lagune abdriften. ;-)



Das Radfahren bleibt ein Kampf mit immer neuen Herausforderungen. Hier, kurz hinter Höfn, ist es eine kilometerlange 16-prozentige Steigung auf grober Piste. Heute muss sich niemand mehr hier hinaufquälen. Man kann einer gut asphaltierten Straße durch einen beleuchteten Tunnel folgen.



Die Ostfjorde machen das Vorankommen ebenfalls mühsam. Denn mehrmals muss man kilometerweit landeinwärts radeln, die gleiche Strecke wieder landauswärts und ist dabei auf der Luftlinie nur ein kleines Stück vorangekommen.



Blauer Himmel!! - Was nicht zu sehen ist: uns bläst ein fürchterlicher Gegenwind ins Gesicht. Für ein etwa 30 km langes Stück gröbster Piste brauchen wir mehr als einen halben Tag. Ich habe in meinem Leben selten so häufig geflucht wie an diesem Tag.



Dann haben wir ihn erreicht: den Dettifoss, einen der mächtigsten Wasserfälle Europas. Im Schnitt 1.500 Kubikmeter Wasser und Steine stürzen sich hier pro Sekunde in die Tiefe. Und wir sind wieder mal nahezu allein und können unser Zelt unmittelbar neben dem tosenden Wasser aufbauen.


Was für ein Kontrast! Nur eine Tagesetappe weiter haben wir die geradezu lieblich anmutende Landschaft des Myvatn erreicht, der nur leider seinem Namen (Mückensee) alle Ehre macht.



Ganz in der Nähe lädt ein nur durch eine enge Felsspalte zugänglicher unterirdischer See zum Baden ein. Das kristallklare Wasser hat eine angenehme Temperatur von 38 bis 42 Grad Celsius.



Weniger zum Baden geeignet sind diese Schlammquellen im Geothermalgebiet von Námaskarð. Der graue schwefelhaltige Schlamm erreicht eine Temperatur von bis zu 250 Grad Celsius.




Der nächste Wasserfall: Goðafoss. Der Sage nach soll der Gode Þorgeir um das Jahr 1000 n. Chr., als das Christentum zur Staatsreligion wurde, die letzten heidnischen Götterbilder in ihm versenkt haben. Daher der Name "Götterfall".


Abermals eine ziemlich üble Piste: die Kjölur. Mit 160 km Länge ist sie die zweitlängste Passage durch das isländische Hochland. Mitten in diesem Niemandsland passiert es ...









Alex' Lenker bricht ab. Das ständige Geruckel auf der Wellblechpiste war offensichtlich zu viel für ihn. Was nun? - Es dauert nur eine knappe Stunde, und uns wird geholfen: nicht weit von unserer Unfallstelle wird nach Erdwärme gebohrt. Zwei Arbeiter gabeln uns auf und löten den Lenker so gut an, dass er bis zum Ende unserer Reise hält.



Auf diesen Schreck haben wir uns ein erholsames Bad verdient. Etwa auf der Hälfte der Kjölur gibt es eine einsame Hütte und gleich daneben diesen herrlichen Pool. Auf der einen Seite fließt das heiße Wasser einer Thermalquelle hinein, auf der anderen Seite eiskaltes Quellwasser. Gerade die richtige Mischung für unsere müden Knochen.



Am Ende der Kjölur der wohl schönste Wasserfall Islands: der Gullfoss (Goldener Wasserfall). In zwei Stufen stürzt er sich in eine 70 Meter tiefe Schlucht hinab. Da, wo damals unser Zelt stand, gibt es heute eine Aussichtsplattform, asphaltierte Wege, einen großen Parkplatz und ein Restaurant.



Auch hier herrscht längst keine Ruhe mehr. Gleich neben dem nicht mehr aktiven großen "Geysir", der allen anderen Springquellen seinen Namen gab, ist der etwas kleinere "Strokkur" noch höchst aktiv: etwa alle 10 Minuten spuckt er eine 20 bis 30 Meter hohe kochende Wasserfontäne aus.


Hier muss einfach mal ins Hochformat gewechselt werden. Man beachte: Alex (mit weißem Pulli) steht ganz entspannt vor der kochenden Wassersäule, während es andere förmlich umhaut.





Was für eine Vielfalt an Farben, Gesteins- und Lavaformationen! Überall gluckst und blubbert es. Schwefelhaltige Dämpfe steigen auf. Landmannarlaugar ist eine der geothermisch aktivsten Regionen der Welt. Und eine der schönsten noch dazu.










Wir verbringen wir gleich mehrere Tage hier - wandernd, die Aussicht genießend oder einfach nur in einem warmen Gewässer liegend.




Mit "Uri, dem Schweizer" beim Abendessen. Es wird nun immer früher dunkel. Auch unsere Jacken und die Mützen auf dem Kopf künden vom nahenden Ende der Saison.

Þingvellir. Hier wurde bereits um 930 n.Chr. eine erste Volksversammlung (Althing) abgehalten, im Jahr 1000 n.Chr. die Annahme des Christentums beschlossen und am 17. Juni 1944 die Republik Island ausgerufen. Geschichtsträchtiger Boden also. Und ein geologisch höchst interessanter Ort dazu: driften doch an dieser Stelle die amerikanische und die eurasische Platte so auseinander, dass ein tiefer Grabenbruch entsteht: die sog. "Allmännerschlucht".


Der Anfangs- und Endpunkt unserer Radtour, die Hauptstadt Islands: Reykjavik. Am letzten Tag präsentiert sie sich in strahlendem Sonnenschein und erweckt den Anschein, es sei ein Spaziergang, Island mit dem Rad zu erkunden. Aber es war alles andere als ein Spaziergang: ein anstrengendes, forderndes, aber auch unvergesslich schönes Abenteuer.

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