Mexiko II



Vulkane, Agaven, Tequila und Mariachi: das sind die Zutaten dieser Tour. Nachdem ich im Jahr 2014 bereits im wüstenhaften Norden Mexikos unterwegs war, auf der Baja California, geht es jetzt, im Februar 2020, durch die Mitte des Landes.





Die Route: Von Mazatlan an der Pazifikküste hinauf in die Sierra Madre. Nach Tequila, Guadalajara und zum Lago de Chapala. Über Pátzcuaro und Morelia zum Biosphärenreservat Mariposa Monarca und auf den 4.690 m hohen Vulkan Nevado de Toluca. Von dort über Malinalco nach Mexiko-Stadt und (mit dem Bus) nach Teotihuacán. Radstrecke: 1.279 km. Höhenmeter: 12.480 m.





Es geht recht entspannt los. Die Sonne scheint, es ist mollig warm und auf der berühmten Carretera Panamericana herrscht moderater Verkehr.



Lediglich in den Orten wird es etwas quirliger. Ich befinde mich im Bundesstaat Sinaloa. Genau: da, wo das gleichnamige Drogenkartell sein Unwesen treibt. Aber ich gehe mal davon aus, dass die Drogenbosse relativ wenig Interesse an einem deutschen Radfahrer haben.






Nach drei Tagen in Küstennähe geht es hinauf in die Berge. Es wird grüner und schwüler. 





Das erste Highlight: Tequila. Die Heimat des weltberühmten Agavendestillats. Bitte die Billigflaschen mit dem roten Plastikhut ebenso schnell vergessen wie das Herumgeschlecke auf dem Handrücken. Ein gut gebrannter Tequila kann eine ganz feine Spirituose sein.



In Mexiko wird er so genossen. Man nimmt ein Stück Limette oder Orange, tupft es in Salz und bestreut es mit etwas Chili oder (so macht es der wahre Conaisseur) mit einem getrockneten und gerebelten Agavenwurm. Ein beherzter Biss in die Frucht, dann der Tequila. Gern dazu genommen: ein Modelo Especial, das m.E. beste Bier Mexikos.




Das Ganze geschieht idealerweise in einer urigen Mezcalería mit einer zünftigen Mariachi-Band. Diese hier, "La Capilla", ist eine der angesagtesten in Tequila.




Am nächsten Tag muss ich wieder nüchtern sein, denn es geht nach Guadalajara hinein. Die zweitgrößte Stadt Mexikos ist ein wahrer Moloch. Sechsspurige Straßen verschwinden plötzlich in einem Tunnel, Radwege gibt es natürlich keine. Aber ich komme gut durch.




Und dann reißt auf einmal der Himmel auf! Die Kathedrale von Guadalajara bei herrlichstem Sonnenschein. Sie wurde sage und schreibe neun Mal durch Erdbeben zerstört und immer wieder neu aufgebaut. 




Nur eine Tagesetappe weiter südlich: der Lago de Chapala. Ein beliebtes Naherholungsgebiet für den gestressten Großstädter ...




... und ein Tummelplatz für den weißgefiederten Nashorn-Pelikan, der zu Tausenden auf dem fischreichen Gewässer überwintert. Er hat eine Flügelspannweite von etwa drei Metern und ist nach dem kalifornischen Kondor der zweitgrößte Vogel Nordamerikas.




Ein kurzer Ausflug in die mexikanische Küche. Neben Tacos, Burritos, Quesadillas und Empanadas gibt es auch dieses: Pozole. Ein auf nixtamalisierten Maiskörnern basierender Eintopf (hier mit Hühnerfleisch), zu dem Salat, Rettich, Zwiebeln und Tostadas (frittierte Maistortillas) gereicht werden.





Und auch das gibt es: ein pan dulce (wörtlich: "süßes Brot"), in das ein kleines Jesuskind aus Plastik eingebacken wurde. Ich hätte mir beinahe einen Zahn daran ausgebissen.




Apropos katholisches Mexiko … Keine Kirche, keine Kapelle und kein Straßenaltar ohne Nuestra Señora de Guadelupe, die Patronin Lateinamerikas. Sie ist im Dezember 1531 ganz in der Nähe von Mexiko-Stadt dem Indiojungen Juan Diego erschienen und wird seitdem im ganzen Land hoch verehrt.





Sie bekommt allerdings zunehmend Konkurrenz. Von Santa Muerte ("Heiliger Tod"), einem Kult, der ursprünglich im Kriminellen- und Prostituiertenmilieu von Veracruz beheimatet war, sich mittlerweile aber rasant verbreitet und in allen Gesellschaftsschichten Anhänger findet - vor allem wohl, weil er so gut wie keine Moralvorschriften kennt.






Wieder auf dem Rad. Ich befinde mich inzwischen auf etwa 2.500 m Höhe. Das Landschaftsbild wird zunehmend von Vulkanen bestimmt. Im Vordergrund werden Ziegel gebrannt.




Mexiko ist leider ein ziemlich vermülltes Land. Und ein korruptes noch dazu. Deshalb kann man seinen Müll getrost auch unter ein Warnschild werfen, das mit 1.000 Pesos Strafe fürs illegale Müllabladen droht.





Jetzt wird es spannend. Mir kommt eine Prozession entgegen. Es sind Purhépecha. Das ist eine der wenigen Volksgruppen, deren Gebiet die Azteken nie erobern konnten, weil es in einer sehr unzugänglichen Bergregion liegt. Auch mit den spanischen Eroberern haben sich die Purhépecha bis heute kaum vermischt. Mit der Prozession begehen sie den 20. Jahrestag ihrer Anerkennung als eigenständiges indigenes Volk.




Dabei tragen sie ein zentrales Symbol ihrer ethnischen und religiösen Identität durch den Ort: eine Steinpyramide, wie sie nicht nur von den Maya und Azteken gebaut wurden, sondern eben auch von ihnen, den Purhépecha.





Nach der Prozession wird gefeiert und getanzt. Dabei tragen die Männer traditionelle Masken, die bis heute in aufwändiger Handarbeit gefertigt werden. Getrunken wird Atole (ein heißes Maisgetränk), gegessen Chicharrón (frittierte Schweinehaut) und Huarache (ein mit Bohnenmus gefüllter Maisfladen).



Zwei Tage später bin ich in Morelia, der Hauptstadt des Bundesstaates Michoacán. Das Zentrum der 500.000-Einwohner-Stadt zählt aufgrund seiner vielen gut erhaltenen Bauten aus der Kolonialzeit seit 1991 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Hier erlebe ich den einzigen richtig derben Regentag dieser Tour.




Kurz darauf lacht die Sonne wieder. Aufgrund der Höhe (ich nähere mich allmählich der 3.000-Meter-Marke) ist es nicht mehr so heiß wie im Tiefland. Das Thermometer klettert tagsüber noch bis auf 24 °C, in der Nacht fällt es bis auf 6 °C.






Und auch die Landschaft dreht nun ordentlich auf. Ein bunt geschmückter Friedhof vor einer imposanten Bergkulisse.






Es geht immer weiter hinauf. In den Bergen vor Kopf liegt das Biosphärenreservat Mariposa Monarca. Es ist eines der Winterquartiere des Monarchfalters, einer nordamerikanischen Schmetterlingsart.







Die wunderschönen Tiere legen bis zu 4.000 km zurück, um aus dem Norden der USA hierher zu kommen. Kurz vor ihrer Ankunft bilden sie riesige Schwärme, die sich dann auf den Bäumen niederlassen.






Das ist ein faszinierendes Spektakel. Überall schwirrt und flattert es. Ich komme gerade zur rechten Zeit. Im Februar freuen sich die Kleinen bereits auf ihren Rückflug in die USA.






Es geht noch höher hinauf. Auf den 4.690 m hohen Nevado de Toluca. Das ist der vierthöchste Vulkan Mexikos und einer der wenigen, die gefahrlos bestiegen werden können. Von hier oben hat man eine atemberaubende Aussicht ...






… zum Beispiel auf den 5.436 m hohen Popocatépetl, den zweithöchsten Vulkan Mexikos. Der ist noch ziemlich aktiv, wie man sieht, und kann deshalb nicht bestiegen werden.






Und noch etwas bietet der Nevado de Toluca: einen überaus spannenden Downhill-Ride. Mehr als 2.000 Höhenmeter bergab auf teils übelster Sand- und Schotterpiste. Ich hab mich nur zweimal lang gelegt!






Dann bin ich im Reich der Azteken angekommen. Hoch über dem kleinen Ort Malinalco liegt eine vorspanische Kultstätte, die 1476 von den Azteken erobert wurde. Eine pyramidenförmige Tempelanlage, die (ähnlich wie die Tempel von Petra) aus dem Felsen herausgeschlagen wurde.







In ihrem Inneren wurden Tausende von Menschenopfern dargebracht. Dazu legte man die Opfer auf die Flügel eines steinernen Adlers und schnitt ihnen bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust.




Ähnliches geschah auf den Stufentempeln von Teotihuacán. Wörtlich übersetzt: "Der Ort, an dem man zu einem Gott wird". So haben es die Azteken empfunden, als sie die Ruinenstadt, die einmal über 200.000 Einwohner zählte, bei ihrer Einwanderung im 14. Jh. entdeckten. Sehr beeindruckend!




Die letzte Etappe verlangt wieder starke Nerven. Mexiko-Stadt. Mit über 20 Millionen Einwohnern ist sie eine der größten Städte der Erde. Von einem Ende bis zum anderen sind es etwa 50 Kilometer.




Geschafft! Ich habe das historische Zentrum erreicht, trete auf die Dachterrasse meines Hotel, schaue auf die Kathedrale im Abendlicht und schenke mir einen letzten Tequila ein.

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