Norddeutschland


Juli 2002. Zusammen mit Thomas durchquere ich die Norddeutsche Tiefebene. Von Diepholz nach Kiel. Durch das Große Moor und die Lüneburger Heide, über die Lauenburgische Seenplatte und entlang der Ostseeküste. Kilometer: 480. Höhenmeter: 2.140.

Diese Tour ist ein Selbstversuch. Denn ich habe eine komplizierte Schulterfraktur und zwei größere Operationen hinter mir. Über Monate lies sich mein linkes Schultergelenk kaum mehr bewegen. Dank einer intensiven Physiotherapie ist es nun zumindest wieder so beweglich, dass ich die Hand an den Lenker bekomme. Auch die Schmerzen sind mittlerweile erträglich. Aber ob das reicht für eine längere Tour?

In Thomas habe ich jemanden gefunden, der sich ge-meinsam mit mir auf das Risiko einlässt. Er hat das Ziel der Tour ausgesucht. Denn in Kiel wohnen Freunde von ihm, die er ohnehin in diesem Sommer besuchen wollte. Für den Startpunkt Diepholz bin ich verantwortlich. Ganz einfach, weil ich bis dorthin schon einmal mit dem Rad gefahren bin und weil es dort einen Bahnhof gibt.

Hier also geht unsere Reise los. Der Himmel ist zunächst noch grau verhangen. Doch das soll sich schon in Kürze ändern. Hauptsache, es ist trocken und warm - und die Schulter macht alles mit.




Auf Nebenstraßen und Wirtschaftswegen fahren wir zunächst durch das sog. "Große Moor". Hier wird seit Jahrhunderten Torf abgebaut. Um zu entstehen, hat es etwa 8.000 Jahre gebraucht. Denn der Durchschnitts-wert für die Torfablagerung in einem Moor beträgt gerade mal einen Millimeter pro Jahr.




Dank des vorherrschenden Westwindes kommen wir auf den ersten Etappen gut voran. Die Landschaft mutet jenseits der Torfabbaugebiete fast etwas niederländisch an. Und das Wichtigste: meine Schulter macht tatsächlich gut mit!




Verden an der Aller. Hier habe ich als Kind mal ein tolles Pfadfinderlager erlebt. Die beschauliche Kleinstadt hat einen recht imposanten Dom. Einst Kathedrale des katholischen Bistums Verden, heute Sitz einer evangelisch-lutherischen Gemeinde.



Bald darauf erscheint der "Heide-Park Soltau" am Horizont. Nach dem "Europa-Park Rust" der zweitgrößte "Freizeit- und Themenpark" Deutschlands. Wir widmen unsere Freizeit aber doch lieber anderen Themen ...



Der Lüneburger Heide zum Beispiel. Die schöne Heide-, Geest- und Waldlandschaft liegt auf einem Höhenrücken zwischen der Aller im Südwesten und der Elbe im Nordosten. Hier sammeln wir die ersten Höhenmeter.



Und natürlich erklimmen wir auch den Wilseder Berg, die höchste Erhebung der Lüneburger Heide, die exakt 169,2 Meter über dem Meeresspiegel liegt.   




Von hier hat man eine herrliche Aussicht bis fast nach Hamburg.




Unser nächstes Etappenziel allerdings lautet: Lüneburg. Der große Stadtplatz "Am Sande" mit seinen schönen Giebelhäusern erinnert ein wenig an den Münsteraner Prinzipalmarkt.




Über die Elbe hinweg und an Lauenburg vorbei geht es zur Lauenburgischen Seenplatte. Das bereits in Schleswig-Holstein gelegene Seengebiet ist in der letzten Eiszeit entstanden und umfasst 40 kleinere und größere Gewässer.

An einem der kleineren Seen liegt die "Eulenspiegelstadt" Mölln. Ob es Till Eulenspiegel tatsächlich gegeben hat oder ob es sich nur um eine literarische Figur handelt, darüber streiten sich bis heute die Gelehrten. Einer gereimten mittelniederdeutschen Inschrift aus dem 16. Jh. zufolge ist er im Jahr 1350 in Mölln gestorben. Als Protagonist einer Schwanksammlung, die um das Jahr 1510 erschienen ist, hat er jedenfalls Literaturgeschichte geschrieben. Bis heute ist der "Eulen-spiegel" in 280 Sprachen übersetzt worden.

Der zu seiner Ehre errichtete Brunnen ist zum Wahrzeichen Möllns geworden. Dass die schelmische Figur an drei Stellen besonders blank geputzt ist, hat seinen Grund: Wer gleichzeitig den Daumen und die beiden Fußspitzen berührt und sich dabei etwas wünscht: dessen Wunsch soll in Erfüllung gehen. Kein Schelm, wer denkt, das ginge nicht. ;-)

Nicht so ganz sicher bin ich mir beim nächsten Bild, …





... ebenfalls in Mölln aufgenommen: War auch hier ein Schelm am Werk oder stammt der Verfasser einfach nur aus dem Ruhrgebiet? - Genug des Schabernacks und weiter zum nächsten See!





Er ist der größte der Lauenburgischen Seenplatte: der Ratzeburger See. Auf einer kleinen Insel mitten im See, lediglich durch drei Dämme mit dem Festland verbunden, liegt die Kreisstadt Ratzeburg.




Besonders schön: der Ratzeburger Dom. Die um 1220 vollendete romanische Backsteinkirche zählt zu den vier sog. "Löwendomen", weil sie wie der Schweriner, der Lübecker und der Braunschweiger Dom von Heinrich dem Löwen gestiftet wurde.




Am nächsten Tag sind wir in Lübeck. Nach Kiel die zweitgrößte Stadt Schleswig-Holsteins. Die Älteren werden sich noch erinnern: das berühmte Holstentor war von 1960 bis 1991 auf der Rückseite des 50-Mark-Scheines zu sehen.



Die Stadt prunkt außerdem mit einigen schönen Bürgerhäusern, darunter das berühmte Buddenbrookhaus und das im Jahr 1535 erbaute Haus der Schiffergesellschaft.




Von Lübeck ist es nicht mehr weit bis zur Ostsee. Wir erreichen sie im Seebad Scharbeutz.





Von nun an ist das Meer unser ständiger Begleiter. Grömitz, Kellenhusen, Dahme … ein Ostseebad reiht sich an das andere.





In Heiligenhafen haben wir die Spitze der Halbinsel Wagrien erreicht und biegen in Richtung Westen ab. Endlich also richtiger Gegenwind!





Dafür wird das Wetter noch einmal richtig schön. Und die Holsteinische Schweiz mit ihren sanften Hügel tut das ihre dazu. Die gebrochene Schulter ist längst vergessen, wir fahren zufrieden unserem Ziel entgegen.


In Kiel endet unsere gerade mal siebentägige Tour. Aber die aus dem Kieler Hafen auslaufenden Autofähren bringen uns schon auf die nächste Idee: im nächsten Jahr soll es nach Norwegen und Schweden gehen!

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