USA Pacific Coast



Meine zweite Tour durch die USA. Nach den Rocky Mountains im Jahr 2008 ist nun, im Sommer 2010, die Pazifikküste dran. Nach den Bundesstaaten Colorado, Wyoming und Montana sind es nun die Staaten Washington, Oregon und Kalifornien.




Meine Route: Von Seattle, Washington nach Astoria, Oregon. Dann, immer entlang der Pazifikküste, durch den gesamten Bundestaat Oregon bis nach Kalifornien hinein. Durch den Redwood National Park und über die "Avenue of the Giants" bis nach San Francisco. Strecke: 1.318 km. Höhenmeter: 10.806 m.




Los geht's in Seattle. Die mit 650.000 Einwohnern größte Stadt im Nordwesten der USA liegt ähnlich wie das kanadische Vancouver an einem tief ins Landesinnere hineinragenden Meeresarm, dem Pudget Sound. In der Bildmitte das Wahrzeichen Seattles: die "Space Needle". Der 184 m hohe Aussichtsturm ist zur Weltausstellung 1962 errichtet worden.



Seattle ist eine fahrradfreundliche Stadt. Viele Straßen haben gut gepflegte Fahrradspuren, die Mehrheit der Autofahrer fährt ausgesprochen rücksichtsvoll - und: alle Busse sind vorne mit einer Halterung für zwei Fahrräder ausgestattet! Die Mitnahme des Rades ist kostenlos.


Und noch etwas erfreut den Radfahrer: man muss sich beim Verlassen der Stadt nicht durch Gewerbegebiete und Vororte wühlen, sondern kann direkt in Downtown eine Fähre besteigen. Und man lese und staune: "Bicycles are welcome aboard. There ist no additional fee."




Ein Letztes noch in Sachen Fahrradfreundlichkeit. Wenn man mit dem Rad durch einen Tunnel muss, kann man vor der Einfahrt ein Warnlicht einschalten, das den ankommenden Autofahrern signalisiert "Da ist ein Radfahrer im Tunnel." - Habe ich in Europa noch nirgendwo gesehen.


Die ersten Tage sind ziemlich warm. Ich tue also gut daran, dem Hinweisschild vor einer kleinen Feuerwache Beachtung zu schenken. Das Trikot trage ich übrigens, weil die Fußball-WM in Südafrika noch in vollem Gange ist. So weiß gleich jeder, woher ich komme, und wir haben sofort ein Gesprächsthema. "The Germans are doing a really good job!" Wie oft ich diesen Satz wohl gehört habe ...



Gut zwei Tage brauche ich von Seattle bis zur Küste bei Astoria. Dann ist es mit dem warmen und sonnigen Wetter erst einmal vorbei. Das Satellitenbild zeigt eine ganz typische Wetterlage, mit der ich es auf der gesamten Tour zu tun habe: während das Festland nahezu wolkenfrei ist, drängen sich vom Pazifik her Wolken und Nebelschwaden an die Küste. Das sieht dann so aus ...



Cannon Beach, bereits im Bundesstaat Oregon gelegen. Seinen Namen verdankt der selbst bei trübem Wetter beeindruckende Küstenabschnitt einem im September 1846 gesunkenen Schoner, von dem später nur noch eine Kanone gefunden wurde. Die legendäre Lewis & Clark Expedition hatte ganz in der Nähe ihr Winterquartier (Fort Clatsop). Ein raues Stück Küste.



Doch das Meer ist voller Leben. Überall sind Seeigel und Seesterne zu finden, weiter draußen tummeln sich Orcas, Grau- und Buckelwale und auf den Tellern jedes noch so kleinen Restaurants landen abends frische Austern.








Es geht nun immer der Küste entlang, die zum Teil mit knackigen Steigungen aufwartet, die Mühe des Aufstiegs aber auch mit herrlichen Ausblicken belohnt. Immerhin habe ich selten Gegenwind. Meist weht er aus West (also von der Seite), mitunter sogar aus Nordwest (dann fühlt es sich fast wie Rückenwind an).



Auf nahezu jedem trockenen Felsen tummeln sich Heerscharen von Seelöwen. Sie sind bereits aus der Ferne gut zu orten. Nicht nur aufgrund ihres lauten Gebrülls, sondern auch - man glaubt es kaum, sehen sie doch so putzig aus - aufgrund ihres ziemlich penetranten Gestanks.



Hier, nahe der Kleinstadt Bandon, hat sich die Sonne mal gegen den Küstennebel durchsetzen können. Anstelle steiler Klippen sieht man nun immer häufiger Sandstrände. Was gleich bleibt und für die gesamte Küste Oregons sehr typisch ist, sind die vielen "Haystacks" (Heuhaufen): pittoreske Einzelfelsen, die meist aus Basalt oder anderem Lavagestein bestehen.



Mitten in dieser schönen Kulisse macht es auf einmal "Knack": während der Fahrt bricht mir der Sattel unter dem Hintern weg. Die schon ein wenig in die Jahre gekommene Schraube, die ihn an der Sattelstütze hielt, hat ihrer Belastung nicht mehr Stand gehalten. - Und was nun?



Es dauert nicht einmal drei Minuten, da hält ein Farmer und bietet mir seine Hilfe an. Die Herausforderung: in den USA gibt es weder metrische Schrauben, noch Gewinde. Es wird mit Inches und Zoll gemessen. Also muss zunächst einmal ein neues Gewinde in die Sattelstütze geschnitten und dann eine passende Schraube gefunden werden. Doch Roberts Farm im Cedar Valley ist gut sortiert. Schon nach einer knappen Stunde kann ich weiterfahren. Many, many thanks, dear Robert!



Aufgrund der unfreiwilligen Pause komme ich erst recht spät an meinem Tagesziel an - und es ist Freitagabend. Da gibt es in Gold Beach so gut wie kein freies Zimmer mehr und einen Campingplatz schon gar nicht. Überall steht "No vacancy". Erst nach einer guten Stunde habe ich dann doch noch eines gefunden ...




... und kann mich mit einem typisch amerikanischen "Dinner" stärken: Patty Melt. Das vor allem auf dem Land beliebte Gericht besteht aus einem Burger Patty, also einer plattierten Frikadelle, zwei krossen Toastscheiben, geschmolzenem Cheddar, glasierten Zwiebeln und cremiger Béchamelsauce. Dazu ein paar kross gebackene Fritten und etwas Ketchup - fertig ist die Kalorienbombe.



Von Gold Beach ist es nicht mehr weit bis zur kalifornischen Grenze und zum Redwood National Park. Das "Rotholz", das er schützt, die Küstenmammutbäume (Sequoia sempervirens), können über 110 Meter hoch werden und einen Stammdurchmesser von mehr als 7 Metern erreichen. Ein Alter von 600 Jahren ist keine Seltenheit. Es wurden allerdings auch schon Bäume mit mehr als 2.000 Jahresringen entdeckt. 







Beindruckender noch als ihre Größe und ihr Alter ist für mich das fast mystische Zusammenspiel zwischen ihnen und dem sie stets durchwabernden Küstennebel. "Wenn man die Mammutbäume einmal gesehen hat, lassen sie einen nicht mehr los. Sie rufen eine Vision hervor, die einen ständig begleietet." Wie recht er hat, der alte John Steinbeck.



Ähnlich beeindruckend: die nur zwei Tagesetappen weiter südlich gelegene "Avenue of the Giants", ein 56 km langer Abschnitt des Highway 101, der abermals durch wunderschöne Redwood-Wälder führt. Durch diesen angeblich 5000 Jahre alten Baum (da wurden für den staunenden und zahlenden Touristen mal schnell ein paar Jahre hinzugerechnet) kann man sogar mit dem Auto fahren - oder eben mit dem Fahrrad.



Als hätte es noch einen Beweises bedurft, dass es in den Redwoods auch recht seltene Vögel gibt, begegnet mir dieser eigenwillige Kautz. Das größte Gepäckstück eine Gitarre, auf den Ohren Beethovens Neunte und zwischen den Fingern eine dicke Zigarre. So ist er eine Weile vor mir hergefahren, bis ich ihn bei einer Pause etwas näher kennengelernt habe. Er ist schon seit Monaten mit dem Rad unterwegs. Nachdem seine Frau sich von ihm getrennt habe, sei das sein neuer "way of life".




Es begegnen mir nun immer mehr andere Radreisende. Hier sind es ein Vater mit seinem Sohn aus Portland, Oregon, und ein Ehepaar aus Milwaukee, Wisconsin. Sie alle wollen wie ich nach San Francisco.



Die letzten Tage werden noch einmal mühsam. Zum einen, weil die Küstenstraße nun keinen Seitenstreifen mehr hat und der Verkehr spürbar zunimmt ...




...  zum anderen, weil sich die Straße immer wieder in tiefe Schluchten stürzt, aus denen sie es nur über steile Serpentinen wieder herausschafft (was im Zusammenspiel mit dem nebelig-nasskalten Wetter meiner linken Achillessehne immer mehr zusetzt).




So fiebere ich in den letzten Tagen vor allem diesem Moment entgegen: dem ersten Blick auf die Golden Gate Bridge. Das 1937 eröffnete Bauwerk war mit einer Gesamtlänge von 2.737 Metern über viele Jahre die längste Hängebrücke der Welt. Eine der schönsten, wenn nicht gar die schönste ist sie bis heute.



Mitten auf der Brücke erreiche ich die Stadtgrenze von San Francisco. Meine Achillessehne schmerzt noch immer, es ist fürchterlich windig und nasskalt - aber das Ziel der Tour ist erreicht.



San Francisco. Das ist die wohl bunteste Stadt der USA. Hier der Blick auf den Financial District mit den für amerikanische Großstädte so typischen Hochhäusern der Banken und Versicherungen. Links im Bild die "Transamerica Pyramid", das höchste Gebäude San Franciscos.




Nicht weit entfernt: Fisherman's Wharf und der Touri-Hotspot "Pier 39" mit seiner Seelöwenkolonie. Souvenirshops, Fahrgeschäfte, Restaurants und ein Aquarium bestimmen hier das Bild. Im Hintergrund die berüchtigte Gefängnisinsel Alcatraz.



Dann Chinatown. Hier wird mehr Kantonesisch und Mandarin gesprochen, als irgendeine andere Sprache. Entstanden ist die weltweit zweitgrößte Chinatown (nach der in New York City) bereits in den 1850er Jahren.






Die "Cable Car" natürlich, die einzige noch fahrende Kabelstraßenbahn der Welt. Die kurvenreiche Lombard Street, der lateinamerikanisch geprägte Mission District, die ehemalige Hippie-Hochburg Haight Ashbury, das Schwulen- und Lesbenviertel Castro, die Twin Peaks mit ihrer herrlichen Aussicht ... San Francisco ist ein Kosmos für sich.



Drei Tage lang durchstreife ich die Stadt. Dann ist diese Tour zu Ende. Doch ich bin sicher: es wird eine Fortsetzung geben. Denn die us-amerikanische Pazifikküste ist in der "Fog City" ja noch nicht zu Ende.

P.S.: Im Herbst 2017 ist es soweit! Da geht's dann von San Francisco nach San Diego.

1 Kommentar:

  1. Wow, echt tolle Reiseberichte! Da bekomme ich auch wieder Radweh :-) Gerade Oregon und Baja California würden mich reizen.

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