Wales

 

Fünfzehn Jahre nach meiner England-Tour zieht es mich im Sommer 2024 wieder auf die britische Insel. Diesmal nach Wales, aber nicht nur. Denn ich will zunächst noch eine kleine Lücke im Streckennetz schließen, die damals aufgrund eines orkanartigen Sturmes entstanden ist.

Deshalb fahre ich zunächst von Exeter nach Bournemouth, um die Lücke zu schließen, und dann von der wunderschönen Stadt Bath aus nach Wales - oder wie die Waliser sagen: nach Cymru. Strecke mit dem Rad: 875 km. Höhenmeter: 10.025 m.

Etwas südlich von Exeter erreiche ich die Jurassic Coast. Sie verdankt ihren Namen den vielen Fossilien, die hier gefunden wurden, darunter ganze Dinosaurier-Skelette. Ich bin mit leichtem Gepäck unterwegs, denn es warten viele knackige Steigungen auf mich.

Schon allein der Blick auf die Küste (hier bei Sidmouth) lässt erahnen, dass es ständig auf und ab geht. Steigungen um die 20 Prozent sind dabei keine Seltenheit und bringen mich bereits am ersten Tag ordentlich zum Schwitzen.

Zur Belohnung gibt es wunderschöne Ausblicke auf das Meer, ein bequemes Bett (ich bin mal ohne Zelt unterwegs und übernachte vor allem in B&Bs) und natürlich auch das ein oder andere frisch gezapfte Bier.

Nach zweieinhalb Tagen bin ich in Bournemouth, bekannt für seinen langen, sauberen Strand und sein sonniges Wetter. Während sich die Temperaturen ansonsten zwischen frischen 11°C und 16 °C bewegen, kann ich mich hier zumindest mal kurz in der Sonne aalen.


Die Bahnfahrt von Bournemouth nach Bath nutze ich fürs Tagebuchschreiben und Umschalten. Denn von nun an geht es in Richtung Wales. Bahnfahren ist in Großbritannien übrigens sehr angenehm. Die Züge sind in der Regel pünktlich und das Rad fährt kostenlos mit.

Von der Schönheit Baths habe ich bereits an anderer Stelle erzählt. In Bristol sind vor allem die Kirchen schön. Zum Beispiel St. Mary Redcliffe, die Hauptkirche der Church of England. Hier hat Sir William Penn, Gründer und Namensgeber des US-Bundesstaates Pennsylvania, seine letzte Ruhestätte gefunden.


Und dann trennt mich nur noch eine Brücke von Wales. Anlässlich ihrer Eröffnung im Jahr 1996 schrieb der walisische Dichter Harri Webb süffisant: "Zwei Länder, endlich verbunden über die Wasser weit, und all die Maut wird gezahlt auf der englischen Seit."

Das Verhältnis zwischen Walisern und Engländern war und ist immer noch spannungsreich. Davon zeugen nicht zuletzt die gut 600 walisischen Burgen. Hier das aus dem 13. Jahrhundert stammende Caerphilly Castle, die nach Windsor Castle zweitgrößte Burg Großbritanniens.


Die dominante Farbe des Landes ist das Grün. Dabei mutet die Landwirtschaft teils noch an, wie sie in vorindustrieller Zeit gewesen sein muss. Kein Wunder, dass sich vor allem die Waliser gegen die Agrarverordnungen der EU und für den Brexit stark gemacht haben.

Regen gibt es auch, reichlich sogar. Hier hüllt er den Alterssitz des walisischen National-Schriftstellers Dylan Thomas (1914-1953) ein. Sein wohl berühmtestes Werk Under Milk Wood (Unter dem Milchwald) ist in diesem Haus entstanden.

Ich bin auf dem Celtic Trail unterwegs, der Nationalen Radroute Nummer 4. Sie hat mich geschickt um die wenig attraktiven Städte Newport, Cardiff und Swansea herumgeführt und verläuft nun durch das wunderschöne Pembrokeshire.

Auch hier geht es kräftig auf und ab, aber jeder Anstieg wird sogleich mit einer neuen, noch schöneren Aussicht belohnt.

Besonders schön: die Hafenstadt Tenby. Pastellfarbene Häuser, grüne Felsen, feiner Sandstrand, kleine Boote ... es  fügt sich alles wie in einem wohlkomponierten Gemälde zusammen.

Einen Tag später bin ich in St Davids. Hier steht eine der schönsten Kathedralen Großbritanniens. Sie ist dem Schutzpatron der Waliser geweiht, dem heiligen David, einem Mönch aus dem 6. Jahrhundert, der das Christentum nach Wales gebracht hat.

Ein Blick ins Innere der Kirche. In ihrer heutigen Gestalt geht sie auf das Zeitalter der Normannen zurück, also auf das 12. und 13. Jahrhundert. Ein wunderschöner, fein ausbalancierter Bau.

Der hl. David soll nur wenige hundert Meter entfernt das Licht der Welt erblickt haben. In einer stürmischen Nacht am Rande der Klippen, geboren von einer geschwängerten Nonne. Heute sind an dieser Stelle noch die Grundmauern einer kleinen Kapelle zu finden, der Non's Chapel.


Genug der Geschichte. Jetzt gilt es die Schönheit der Landschaft zu genießen. Und ich habe Glück: Über dem schönsten Küstenabschnitt Pembrokeshires strahlt den ganzen Tag die Sonne!

Die weißen Landmarken im Vorder- und Hintergrund markieren die Einfahrt zu Porthgain Harbour, einem kleinen Hafen, aus dem in den frühen 1900er Jahren Schieferplatten verschifft worden sind. Eine besonders schöne Form der Industriekultur ...

Nicht weit entfernt liegt der Carreg Samson, ein etwa 5.000 Jahre alter Dolmen. Er steht ganz einfach auf einem Feld, für jedermann frei zugänglich.

Das sonnige Wetter ist wieder vorbei. Ich bin in Aberystwyth. In dem etwas in die Jahre gekommenen Seebad wird noch überwiegend walisisch gesprochen, eine sehr konsonantenreiche Sprache, die wie das Bretonische zur keltischen Sprachfamilie zählt.

Es folgt das zweite landschaftliche Highlight: der Snowdonia-Nationalpark. Hier recken sich die höchsten Berge des Landes zum Himmel.

Noch in der Ebene liegt das Dyfi Osprey Project, ein Schutzgebiet für Fischadler. Das spannende daran: An den Brutplätzen der Adler sind Kameras montiert ...

... so dass man die wilden Tiere aus nächster Nähe beobachten kann, ohne sie bei ihrem Tun zu stören.

Dann aber geht es in die Berge. Ich erklimme den zweithöchsten Berg des Landes, der erkennbar vulkanischen Ursprungs ist, ...


... den 892 m hohen Cader Idris. Sein Name geht auf einen legendären walisischen Helden zurück, der einen magischen Stuhl besessen haben soll, der den, der darin einschlief, verrückt werden ließ. Zum Glück bin ich den ganzen Tag wach geblieben. ;-)

Auf der nächsten Etappe begleiten mich Derek und sein Hund. Die beiden sind von Ontario nach Wales gezogen, der Liebe wegen. Eine schöne Begegnung und ein gutes Gespräch.

Es geht immer noch doller ... Im Küstenort Harlech stoße ich auf die angeblich steilste Straße der Welt. Die lässt sich beileibe nicht mehr fahren. Selbst das Schieben des Rades ist eine Tortur. Zum Glück ist die Steigung relativ kurz.


Nächstes Etappenziel ist Bangor. Im Hintergrund noch die Snowdonia Mountains, im Vordergrund ein langer Pier, der in die Menai Strait hineinragt, eine Wasserstraße, die die Insel Anglesey vom walisischen Festland trennt.

Ja, diesen Ort gibt es wirklich. Auf Anglesey. Wörtlich übersetzt: "Marien-Kirche in der Senke am weißen Haselnussbaum in der Nähe des reißenden Strudels und der Kirche des hl. Tysilio nahe der Roten Höhle". Sachen gibt's ...

Final destination: Holyhead. Von hier geht es nur noch per Schiff weiter (nach Dublin) oder aber - meine Wahl - mit dem Zug zurück nach Birmingham, wo ich vierzehn Tage zuvor gestartet bin.

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